Ursprünglich 1992 (1993 in Europa) für den Game Boy erschienen, hat der mehr als dreißig Jahre alte Plattformer viele Qualitäten zu bieten, die ich in heutigen Spielen rund um den schnauzbärtigen Klempner schmerzlich vermisse. Denn wenn es um abgefahrene Welten und skurriles Gegnerdesign geht, ist das Ding immer noch ein echtes Brett.
Ein abgefahrener Nachfolger
Seinerzeit war Super Mario Land 2: 6 Golden Coins ein mutiges Experiment: Nachdem man in den 1980ern mit Mario Bros. die Arcade-Hallen und mit Super Mario Bros. auch den Heimkonsolenmarkt erobert hatte, wagte Nintendo wortwörtlich den Sprung in den Handheld-Bereich und veröffentlichte Super Mario Land.
Aufgrund von Hardware-Limitierungen präsentierte sich der Plattformer nur in schwarz-weiß, optisch waren die Level solide, aber konservativ. Viele der in Super Mario Bros. eingeführten Gegner wie Gumbas und Koopas traten mit minimalen Design-Änderungen erneut auf, die Hintergründe bestanden fast ausschließlich aus Pyramiden oder Bambusstäben.
[GUI_600SCREENSHOT(setid=92476,id=92656453,linktext=Ein kleiner Schritt beim Gameplay, ein großer Schritt was Design-Ideen und optische Kreativität angeht. Quelle: Nintendo)]
Obwohl Super Mario Land 2 spielerisch genau in die Fußstapfen seiner Vorgänger tritt, könnte der Ton und das Design des Game Boy-Titels nicht unterschiedlicher sein. Gumbas und Koopas werden nach den ersten Leveln durch aberwitzige Gegner ersetzt, die Welten sind abgedreht und irrsinnig kreativ – das gilt auch nach über dreißig Jahren noch.
Mario im Wunderland
Denn bei meiner kürzlichen Rückkehr zu Super Mario Land 2 ist mir schon nach wenigen Minuten wieder bewusst geworden, wie sehr der Game Boy-Vertreter im Vergleich zu den anderen Titeln der Reihe hervorsticht. Die verschiedenen Level fühlen sich auch heute noch frisch und unverbraucht an und sind spannender als alles, was die Nachfolger seit damals geboten haben.
[GUI_600SCREENSHOT(setid=92476,id=92656457,linktext=Die drei kleinen Schweinchen in ihren Häusern aus Stroh, Holz und Eisen als Bossgegner? Das gibt es nur bei Super Mario Land 2. Quelle: Nintendo)]
Hat man das kurze, sehr generische Tutorial hinter sich gebracht, öffnet sich die Welt des Spiels wie eine magische Kiste voller Möglichkeiten: Links ein ameisenüberlaufener Baum, auf dem eine keifende Krähe thront, rechts eine Schildkröte, die mich verschluckt und anschließend die Magengegend eines Blauwals von innen erkunden lässt, in der ich mich kurzerhand wie Pinocchio auf der Suche nach Geppetto fühle.
Noch bizarrer wird es weiter oben auf der Weltkarte: Eine gigantische, mechanische Mario-Figur, die von den drei kleinen Schweinchen aus dem gleichnamigen Märchen bewohnt werden und die sich mir am Ende der Zone als Boss gegenüberstellen. Oder ein Spukhaus, deren Gegner entweder aus der japanischen Mythologie stammen, abgehackte Fischschwänze darstellen oder als wandelnde Hockeymasken mit Macheten dem Horror-Charakter Jason Vorhees bis aufs Haar gleichen.
[GUI_600SCREENSHOT(setid=92476,id=92656455,linktext=Gegner aus Horror-Fulmen wie dieser Jason Vorhees-Verschnitt würden es heutzutage nicht mehr in ein Mario-Spiel schaffen. Quelle: Nintendo)]
Die skurrile Odyssey setzt sich fort, während ich als Mini-Mario ein riesiges Haus erkunde, im Weltall auf Aliens treffe und schließlich Wario in dem mir geraubten Schloss konfrontiere. Denn natürlich hat es sich der Gierschlund in Marios Villa bequem gemacht und den Klempner vor die Tür gesetzt: Die Geschichte von Super Mario Land 2 ist genauso herrlich absurd wie das Gegner- und Level-Design.
Kreativ bedeutet nicht innovativ
Bei all den Lobeshymnen für Optik und thematischen Ideenreichtum muss ich natürlich zugeben, dass Super Mario Land 2 spielerisch keine Bäume ausreißt. Zwar funktioniert das Jump’n’Run-Gameplay auch heute noch hervorragend, in Sachen Innovation gewinnt der Game Boy-Klassiker aber keinen Blumentopf, sondern kopiert und emuliert schamfrei seine Vorgänger.
[GUI_600SCREENSHOT(setid=92476,id=92656449,linktext=Was spielerische Innovation angeht, kann Super Mario Land 2 seinen 3D-Geschwistern wie Super Mario Galaxy nicht das Wasser reichen. Quelle: Nintendo)]
Gerade im Bereich der 3D-Titel finden Mario-Fans daher sicherlich eine Reihe an Spielen, die spielerisch mit mehr Überraschungen punkten können. Super Mario Galaxy ist in dieser Hinsicht natürlich ein Selbstläufer, der in Sachen Leveldesign, Power-Ups und Schwerkraft-Simulation bei vielen Spielern zurecht auch heute noch der unangefochtene Spitzenreiter bleibt, maximal übertroffen vom Nachfolger.
Mut zum Experiment, Nintendo!
Doch weil sich die Mario-Reihe im 2D-Bereich spielerisch seit 1987 nicht merklich verändert hat, fällt das Gegner- und Weltendesign von Super Mario Land 2 umso schwerer ins Gewicht. Während man das Gameplay bei jedem neuen Titel mit einigen, wenigen Power-Ups würzt und sonst höchstens grafisch aufpoliert, werden die Hüpfabenteuer seit Jahren immer und immer konservativer.
[GUI_600SCREENSHOT(setid=92476,id=92656452,linktext=Die Welten in modernen 2D-Marios sind austauschbar und langweilig, auch der letzte Ableger hat da keine spannenden Einfälle zu bieten. Quelle: Nintendo)]
Grüne Wiesen in der ersten, sandige Wüsten in der zweiten und heiße Lava in der letzten Welt: Die 2D-Hüpfer setzen seit ewigen Zeiten nur noch auf das immergleiche Konzept und sogar im 3D-Bereich hat man sich bei Super Mario Odyssey abseits der verrückten Kochwelt mit lebenden Gabeln und dem Dark Souls-artigen Miniplaneten zuletzt wenig getraut.
Dass Nintendo nicht mehr weiß, was man mit dem Klempner im 2D-Kosmos anstellen soll, scheint auch der Release-Kalender zu beweisen: Seit New Super Mario Bros. U im Jahr 2012 haben wir schließlich kein neues 2D-Abenteuer mehr bekommen, denn der Deluxe-Port für die Nintendo Switch gilt wohl kaum als eigenständiger Titel.
[GUI_600SCREENSHOT(setid=92476,id=92656456,linktext=Mario trifft Mario: Kreative Welten wie die Mario-Zone aus 6 Golden Coins wünsche ich mir auch für kommende Plattformer. Quelle: Nintendo)]
Daher wünsche ich mir, dass das japanische Unternehmen sich doch bitte mal an alte Zeiten erinnert: Statt die immer gleiche Checkliste von acht Welten mit Eis- oder Wolken-Thema abzuhaken, baut wieder Legosteine in eure Level und lasst mich gegen Märchencharaktere antreten. Und wagt Experimente – wenn schon nicht spielerisch, dann doch wenigstens, was Gegner-, Level- und Weltendesign angeht.